Heute lese ich für Roswitha die Geschichte (Ich habe über sie im Blog vom 6. März 2020 geschrieben roswitha-oder-die-besondere-frau-im-rollstuhl.html. ) : "Der Kuss des bunten Schmetterlings" Aus dem Buch: ". . . wenn die Seele Märchen erzählt . . ." v. Sonja von Eisenstein (Ich erwähnte das Buch bereits im Blogbeitrag vom 8. April 2020 kinder-brauchen-rituale.html) Roswitha liebte dieses Märchen so sehr, und ich habe es ihr oft vorgelesen. Immer und immer wieder. Ich hatte Freude daran, denn auch ich selbst liebe es sehr. Und es war schön für mich, ihre Augen strahlen zu sehen: Es waren einmal zwei Raupen, die mühsam des Weges krochen, als sie einen bunten fröhlichen Schmetterling über sich im Sommerwind schaukeln sahen. Voll Neid sagte die braune Raupe zu ihrer grünen Weggefährtin: " Wie ungerecht es doch auf dieser Welt zugeht. Wir müssen uns mühsam im Sand vorwärtsbewegen und sind dem Ekel der Menschen ausgesetzt, während so ein nichtsnutzer Schmetterling von einer Blume zur anderen tanzt und sich des Lebens freut." Und sie schoss giftige Blicke auf den bunten Schmetterling. Die grüne Raupe aber dachte ganz anders. Sie betrachtete den Schmetterling voll Bewunderung und flüsterte: "Welch zartes wunderbares Geschöpf. Wie schön wäre es, so zu sein wie er." Und ihr Herz und ihre Liebe flogen dem Schmetterling wie ein Schmetterling zu. "Was", ereiferte sich die braune Raupe, "so ein Luftikus wie der möchtest du werden? Du möchtest dich wohl über uns Raupen erheben, damit du von oben auf uns herabblicken kannst!" "Aber nein, nein", antwortete die grüne Raupe und blickte dem Schmetterling zärtlich nach. "ich wäre gern ein Schmetterling, weil ich Schmetterlinge liebe." Kaum hatte sie das Wort Liebe ausgesprochen, da fiel sie in einen tiefen, tiefen Schlaf. "He du", stieß die braune Raupe sie an, aber sie bekam keine Antwort mehr. "Das hat sie von ihrem Größenwahn", sagte die braune Raupe. "Wer hoch hinaus will, wird bestraft. Jetzt ist sie tot. Da bleibe ich lieber hübsch bescheiden eine arme Raupe." Im nächsten Moment traf sie die Sohle eines Wanderers und zertrat sie. Die grüne Raupe aber blieb unversehrt. Sie schlief und träumte von blumenbunten Wiesen und tanzenden Faltern, bis ihr im Traum ein strahlender Schmetterling erschien. Er war so schön, dass das Herz der grünen Raupe vor Liebe zu zerspringen drohte. Der Schmetterling küsste sie und sagte sanft: "Du sollst als jenes Geschöpf erwachen, das du am meisten liebst." Und als die grüne Raupe erwachte, da war aus ihr ein herrlicher Schmetterling geworden. Voll Entzücken bewegte er seine großen farbenprächtigen Flügel und schaukelte immer höher und höher empor. "Wie wunderbar, ein Schmetterling zu sein!" rief er aus und entdeckte im Sand zwei Raupen, die ihm nachblickten. In dem Blick der einen war Neid und Missgunst, in dem Blick der anderen war Liebe und Bewunderung. Da wusste der glückselige Schmetterling, dass nur eine der beiden sich zu seinem Ebenbild entwickeln würde, weil nur die Liebe zu beflügeln vermag. "Dir zu Ehren, liebe Roswitha!"
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Juni 2023
"Betrachte das Leben als eine Wundertüte voll bunter Überraschungen - greife hinein und genieße die vielen süßen Freuden, welche die Welt dir schenkt." Kategorien
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