Der Abend ist da. Oma war nun endlich nach Hause gekommen. Sie wohnt nur 5 Gehminuten von uns entfernt. Mehrmals in der Woche besuchen wir sie, und darauf freue ich mich immer besonders. Auch heute ist es wieder soweit. Meine Mama, meine Schwester und ich machen uns auf den Weg. Schon von weitem erblicke ich Oma in ihrem wunderschönen, liebevoll gepflegten und sehr ordentlich angelegten Gemüse- und Kräutergarten. Der Zaun ist dunkelgrün gestrichen und an jedem Pfeiler sitzt eine färbige Holzkugel. Ich liebe es, über die glatte Fläche zu streichen und den Duft von Holz und frischer Farbe in meiner Nase zu spüren.
Oma ist eine große, kräftige Frau. Manchmal ist sie hart, und ich habe großen Respekt vor ihr; manchmal sogar Angst, und sie erscheint mir unnahbar, aber tief in ihrem Herzen spüre ich eine große Liebe, eine Liebe, die ich nicht in Worte fassen kann. Hier steht sie nun in ihrem Garten, um Unkraut zu jäten und ihren Garten liebevoll zu pflegen. Selten habe ich einen so ordentlichen Garten gesehen. Es ist sehr beeindruckend für mich. Beeindruckend und interessant, ihr bei der Arbeit zuzusehen. Ganz ohne Worte. Während Mutti und sie ihre Geschichten austauschen und sich über dieses und jenes unterhalten, besuche ich die Schildkröte, die neben dem dicken Birnbaum angebunden ist. Ich liebe es, wenn sie ihren Kopf herausstreckt und mich begrüßt. Das dauert aber manchmal etwas länger. Erst wenn sie sich sicher fühlt, streckt sie mir ihr Köpfchen mutig entgegen. Ich füttere sie mit einem großen Salatblatt und beobachte geduldig, wie sie langsam daran knabbert. Faszinierend welche Ruhe sie dabei an den Tag legen kann. Ich spüre den harten Panzer, wenn ich ihr über den Rücken streiche; wie weich doch dieses zarte Köpfchen und ihre Füße im Vergleich dagegen waren. Ich lasse das Tier alleine und schaue zu den Goldfischen, die munter in dem sauber und sorgfältig angelegten kleinen Teich gleich vor dem Haus ihre Runden im Wasser drehen. „Oh welche Pracht!“ Eine Seerose hat ihre Knospen geöffnet und erstrahlt nun in ihrem satten Weiß und zartem Rosa in vollem Glanz. Ich betrachte jedes einzelne Blütenblatt und bestaune die großen grünen Blätter, aus denen die Blume sprießt. Ein Wunderwerk der Natur. Eine tiefe Liebe und inniges Staunen machen sich in mir breit. Ich liebe es, zu Besuch bei Oma zu sein. Hier gibt`s soviel zu seh`n, das Leben ist so bunt und vielfältig hier. Ich genieße das Dasein. Nun muß ich mich aber so richtig bewegen und meiner Freude Ausdruck verleihen. Schleunigst die Zwerge besuchen, die hinter`m Haus aufgestellt sind, aber auch die anderen, die sich zwischen Blumen und Pflanzen vor der Hütte versammelt haben, werden von mir begrüßt. Ruhig, aber doch immer etwas aufgeregt, betrachte ich diese bunten Gesellen mit ihren lustigen Gesichtern. Meistens spreche ich mit ihnen und erzähle ihnen lustige Geschichten. Ich schätze sie sehr, denn sie hören mir immer ganz gespannt zu. Aber jetzt habe ich Lust, meine Schuhe auszuziehen. Das Gras ist zwar schon kühl, denn immerhin verschwindet die Sonne bereits am Horizont, aber jetzt möchte ich mich den Abhang hinunterkullern lassen. Meine Schwester leistet mir Gesellschaft und gemeinsam rollen wir den kleinen Hang hinunter. Abwechselnd lege einmal ich mich hin und sie schubst mich, das andere Mal ist sie an der Reihe. Wir haben großen Spaß dabei. Ich spüre das kühle Gras auf meiner Haut und den Duft der Erde. Schön ist das! Mutti mahnt uns, es wäre Zeit die Schuhe anzuziehen, denn nun war der Abend wirklich gekommen. Es fing an zu dämmern, und das Gras bekam bereits einen feuchten Tau. Als Mama und meine Schwester sich entfernten, wollte ich noch ein letztes Mal die Wiese unter mir spüren und legte mich nocheinmal auf den Rücken. Ich blickte zum Himmel und fing an zu träumen: Ich erinnerte mich an die kalten Wintertage, an denen Papa, Mama, meine Schwester und ich ausgedehnte Spaziergänge zu machen pflegten. Es gab viel Schnee, und der Spaß war riesengroß. Ich weiß noch genau, wie sehr ich es liebte, mich im Wald unter einen Tannenbaum zu stellen, der große Schneemassen trug. Papa musste dann den Zweig berühren, sodass der Schnee auf mich rieselte. Wie ein Weihnachtsmännlein sah ich aus. Manchmal spürte ich sogar ein paar Flöcklein in meinem Hals und im Nacken. Iiiihhhhh, war das kalt, und trotzdem liebte ich dieses Spiel. Halb erfroren kamen wir dann bei Oma`s Häuschen an. Dort wartete schon heisser Tee auf uns. Selbstverständlich gab`s bei ihr die beeeeesten Kekse. Ich liebte ihre Kokosbusserl, mmhhh, die waren soooo lecker und der Duft des Lebkuchens, herrlich! In der Stube war es warm und gemütlich, und von der Kälte draussen waren unsere Backen rot. Ich erinnere mich noch genau, dass der Spiegel im Raum immer angelaufen war, und ich mein Gesicht erst dann darin sehen konnte, wenn ich mit meinem rechten Ärmel darüberwischte. Ja und da war auch noch die alte Nähmaschine, die gleich links neben der Eingangstüre stand. Ich hatte sie in mein Herz geschlossen. Mein ganzes Interesse galt dem Tretbrett. Auf und ab, auf und ab. Oh, wie liebte ich dieses Spiel. Welch schöne Erinnerungen an den Winter. Wer zupfte mich den da? Mein Gott, vor lauter träumen hatte ich gar nicht bemerkt, dass es schon dunkel geworden war. Mama holte mich aus meiner Traumwelt zurück. Jetzt erst spürte ich, dass meine Hose und mein T-Shirt schon feucht geworden waren und es mich zu frösteln begann. Aber egal, was sind schon feuchte Kleider gegen wunderschöne Erinnerungen. Ein ereignisreicher, bunter Besuch bei Oma ging zu Ende. Wir verabschiedeten uns und machten uns auf den Heimweg. (Autorin: Andrea Agyemang)
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Juni 2023
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