von Mahatma Ghandi Über die Geduld Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann, alles ist austragen - und dann gebären . . . Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte. Er kommt doch! Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos, still und weit... Man muss Geduld haben mit dem Ungelösten im Herzen und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein. (von Rainer Maria Rilke) "Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen..., reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt...man muss Geduld haben...", so schreibt Rainer Maria Rilke. Geduld, eine große Herausforderung für uns Menschen heute, wie ich finde. Die Natur ist uns da um einiges voraus. Die Natur eilt nicht, und dennoch wird alles erreicht. Welch eine Weisheit uns diese Zeilen doch vermitteln. "Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen..." welch eine Kraft diese Worte auf mich ausstrahlen. Ich finde, sie passen gut zu den Grundlagen des Waldorfkindergartens. Für unsere Kinder ist es lebensnotwendig, dass sie sich orientieren können und dass sie wissen, woran sie sind. Sie brauchen Ordnung, die ihnen Gewissheit gibt, dass es z.B. im Tagesablauf gewisse Handlungen gibt, die beim nächsten Mal genausso wiederkehren, wie beim letzten Mal und beim vorletzten Mal: in vertrauter Weise immer wiederkehren. Und ohne dass sie von der/dem KindergärtnerIn, von der/dem BegleiterIn, der/dem GruppenleiterIn, immer wieder angesprochen werden, angeordnet werden. Ja, ich nenne es bewusst, angeordnet, denn es bekommt etwas gewisses Strenges, Belehrendes, wenn wir Kinder (dauernd) über den Verstand ansprechen, vorwiegend linksgehirnig. "So, jetzt machen wir das", "so jetzt nehmen wir dieses oder jenes", "Mach das", "mach das nicht", "so, jetzt gehen wir Händewaschen", etc. etc. etc. ... Rhythmen sind verlässlich, nichts kann sie aus der Ruhe bringen. Im Rhythmus liegt Vertrauen auf Vorhersehbares. Der Rhythmus hat eine besondere Qualität: Vertrautes kehrt zu bestimmten Zeiten und immer auf die gleiche Weise wieder. Besonders wichtig für eine gute und gesunde Entwicklung des Kindes sind Ordnung und Verlässlichkeit, Rhythmus und Wiederholung. Das kleine Kind braucht - mehr noch als wir Erwachsenen - eine gewisse Regelmäßigkeit im täglichen Leben. So ist der Alltag im Waldorfkindergarten rhythmisch gegliedert. Jedem Tag wird etwas Besonderes gegeben. Da strahlt ein Kind von einem Augenblick auf den anderen: "Ja, das kenne ich!" Was aber ist denn das Besondere? Woran erkennen die Kinder das Heute? Den jeweiligen Tag? Am Essen z. B. Ja das Essen ist wichtig. Was gibt es denn heute? Die Antwort ist "Weckerl". Ach, dann ist heute wohl Dienstag, denn dienstags ist immer Weckerlbacktag oder dem Mittwoch ist das Malen vorbehalten. Und das wiederholt sich jede Woche. So wird im Waldorfkindergarten durch die Woche gegangen. Es behagt Kindern, wenn etwas wiederkehrt, was es zu einer bestimmten Jahreszeit schon im Vorjahr gab. Wenn der Tages-, Wochen- und Jahresablauf rhythmisch gegliedert ist und sich orientiert am Rhythmus der Natur und an den Jahresfesten, wirkt das auf Kinder aller Altersgruppen sehr wohltuend, ja sogar heilsam. Es gibt ihnen Sicherheit und Geborgenheit, Orientierung und Vertrauen. Auch in der Natur unterliegt alles einem gewissen Rhythmus, einer Wiederholung. Rhythmus ist in allen Bewegungen, die im regelmäßigen Wechsel wiederkehren. Alle lebendigen Vorgänge sind durch Rhythmen geordnet. Der gesamte Kosmos sowie auch die Lebensprozesse von Pflanzen, Tieren und Menschen verlaufen in rhythmischer Abfolge. Das Wachsen und Verblühen der Blumen, die Atmung, die Gezeiten, der Jahresablauf, der Gang des Mondes und der Gestirne, und vieles mehr, sind durch Rhythmen bestimmt. So auch die Jahreszeiten: Wir wissen, dass nach einem Winter ein Frühling kommt und einem Sommer gewiss wieder ein Herbst folgt, danach wieder der Winter ins Land zieht. Wir Erwachsenen, und ganz besonders die Kinder, erleben die Vorgänge in der Natur im Wechsel der Jahreszeiten bewusst und unbewusst mit. Das Jahr wiederum findet seinen zeitlichen Rhythmus durch mehrere freudig erwartete Jahresfeste. In den Jahresfesten werden die Jahreszeiten und der Rhythmus der Natur direkt erlebbar. Die Jahresfeste also sind besondere Höhepunkte im Waldorfkindergarten und in das Leben der Kinder integriert. Mit jeder Jahreszeit und mit jedem Alter sind im Kindergarten bestimmte Geschichten, spezielle Märchen, Finger- und Puppenspiele, verbunden. Lieblingslieder oder spezielle Festtagsessen können in den späteren Jahren noch einmal die Kindheitserinnerungen wach werden lassen. Ist es nicht so, dass in unserem Erwachsenenalter ganz bestimmte wunderschöne Erinnerungen hochkommen, wenn wir z. B. an Weihnachten denken? Damals als wir ins Kinderzimmer geschickt wurden und als das Glöcklein läutete wir endlich das Zimmer mit dem Christbaum betreten durften, oder als im Kindergarten das Ostergras jeden Tag ein Stückchen mehr aus der Erde guckte? Verbinden wir damit nicht auch wunderbare, wohlige Gefühle, die stets aus unserer "Schatzkiste im Inneren" hervorgeholt werden können? "...den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen..." und "...Geduld haben...", meint Rainer Maria Rilke. Für viele Menschen ist es in unserer hektischen, schnelllebigen Zeit eine besondere Herausforderung, Geduld zu beweisen, geduldig zu SEIN und den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung zu lassen. Alles zu seiner Zeit, meint da die Natur. "Alles zu seiner Zeit"... meinen da auch die Grundlagen der Waldorfpädagogik. Sie gefallen mir. Wie weit haben wir uns von unserer wahren NatUR entfernt, dass wir in einer Welt leben, in der Druck und Stress auf der Tagesordnung stehen.? Wo wollen wir denn ankommen, wenn es doch immer "nur" das Jetzt gibt? Wo denn hinrennen? Am besten gestern schon anstatt morgen. Ein Durchatmen, Runterkommen, Sich Hingeben, fällt vielen von uns sehr schwer. Ja Stille selbst halten viele gar nicht (mehr) aus. Dem Kind Zeit lassen, Zeit lassen, sich zu entwickeln, einerseits nach allgemeinen Entwicklungsgesetzen, andererseits nach individuellen Gegebenheiten. Wenn freie Tätigkeiten des Kindes, geführte Tätigkeiten durch die Erziehenden und künstlerischen Aktivitäten in gesundem Rhythmus abwechseln, wird durch Tun und Wiederholen die Willens- und Gedächtnisbildung des Kindes gekräftigt. Dem Kind Zeit zu lassen, ermöglicht die notwendige Organreife. Auch das Gehirn bedarf der Reifungszeit bis hin zur bestmöglichen intellektuellen Kapazität im Schul- und Erwachsenenalter. Diese Lebenskräfte wirken an der Organreife und stehen später als Bewusstseins- und Denkkräfte zur Verfügung. Es ist wichtig, diese Kräfte für eine optimale Entwicklung zu erhalten und nicht durch intellektuelle Einseitigkeit (ein übermäßiges Ansprechen über den Kopf, also mental, intellektuell, verstandesorientiert, linksgehirnig) zum falschen Zeitpunkt frühzeitig zu verbrauchen. Ich denke, dass das Erleben der Jahreszeiten in der Natur für unsere Kinder ganz besonders wichtig ist. Indem die Kinder den Jahresablauf intensiv miterleben, soll so ihre Beziehung zur Natur gefördert werden. Also raus aus der bequemen Wohnung und auf Entdeckungsreise gehen. Kinder tun das liebend gerne. Sie wollen sich bewegen und es ist spannend, was sie draußen so alles entdecken. Unsere Kinder brauchen solche echten, sinnlichen Erfahrungen. (In unserer heutigen digitalisierten Welt mehr denn je). Und wir auch. Die Natur will also mit allen Sinnen erfahren werden. Für uns Erwachsene ist es eine wunderbare Gelegenheit, selbst etwas dazu zu lernen, indem wir mit den Kindern die Natur erkunden, erfahren und erforschen. Geben wir ihnen die Gelegenheit. Geben wir UNS die Gelegenheit. (In meiner Abschlussarbeit am Ende meiner Ausbildung "Waldorfpädagogik und Sozialtherapie" beschäftigte ich mich mit dem Thema "Die Gestaltung des Jahresfestkreises im Waldorfkindergarten")
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Juni 2023
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